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Cinema-Talk

John Wick: Wenn Gewalt zur Kunst wird – Kritik/Analyse

Seit Mitte Mai tötet sich Keanu Reeves wieder über die Leinwand – und überzeugt an den Kinokassen. Kritiker & Fans sind begeistert, und zwar zu Recht, aber eigentlich sollte das nicht so sein. Man kommt nicht umhin, sich eine Frage zu stellen: Wie kann ein Film, oder eher eine Filmreihe, trotz einer so unglaublich stumpfsinnigen Handlung so gut sein? Das versuche ich zu beantworten und den Film einzuordnen. Zwar geht es in dieser Rezension primär um Teil 3, allerdings kann sie genauso auf die gesamte Reihe bezogen werden.

John Wick wird im dritten Teil vom Jäger zum gejagten. | © Concorde

Die meisten kannten ihn bis 2014 wohl als Neo aus der Matrix-Reihe, die damals von Drittel zu Drittel immer schlechter wurde und seine Karriere anschließend ziemlich versanden lies. Danach dümpelte er in ein paar durchwachsen aufgenommenen Filmen umher und wurde von der Hollywood Welt schon beinahe abgeschrieben. Doch dann folgte wohl eines der großen Schauspiel-Comebacks der letzten Jahre, als Keanu Reeves vor 5 Jahren den Auftragskiller im Ruhestand zum ersten Mal verkörperte. Heute sind er und sein Alter Ego in aller Munde.


Das macht die Tatsache, dass bei allen drei Teilen Reeves‘ ehemaliges Stuntdouble Chad Stahelski Regie führte und dass dies auch noch seine ersten und bisher einzigen Regie-Arbeiten waren, umso verblüffender. Man ist geneigt, dem Mann eine steile Regie-Karriere für die nächsten Jahre zu horoskopieren, aber das bleibt abzuwarten.


Kapitel 3 – Parabellum


Ein kurzes Recap: Im ersten Teil bricht eine Bande bei John Wick ein, tötet seinen Hund und klaut sein Auto. Danach bringt er alle um, die damit zu tun haben. In Teil 2 fordert ein alter Freund eine Schuld beim ihm ein und stellt ihm eine Falle. Danach bringt er alle um, die damit etwas zu tun haben. Dabei tötet er jemanden im Continental Hotel, weswegen er in Teil 3 aus der Untergrundwelt der Auftragskiller ausgestoßen und mit einem Kopfgeld versehen wird. Diesmal bringt er alle um, die Jagd auf ihn machen. Die Handlung aller 3 Teile erstreckt sich übrigens auf einen Zeitraum von wenigen Wochen, wie im Film erwähnt wird.

Cast & Story


Es kehren die bereits kennengelernten Figuren/Schauspieler zurück, so zum Beispiel Ian McShane und Laurence Fishburne, die beide einen coolen Job machen. Allerdings sei angemerkt, dass das Drehbuch den beiden keine schauspielerischen Meisterleistungen abverlangt, eben so wenig wie den neu hinzugekommenen Akteuren, gespielt von Asia Kate Dillon, Jerome Flynn und Halle Berry. Letztere hätte mit ihrer sympathischen Figur durchaus ein bisschen mehr Screen Time vertragen können.


Langweilen tut man sich zwar nie, aber gegen Ende des Films geht der Geschichte in Sachen Spannung leider ein klein wenig die Puste aus und dehnt ein paar Szenen etwas zu sehr, bei denen man sich kürzer hätte fassen können.

Geheime Welten


Der dritte Teil schafft es, die faszinierende Untergrundgesellschaft interessant und geheimnisvoll weiterzuerzählen. Man fühlt sich ein kleines Bisschen an die Zauberer-Welt in Harry Potter erinnert, wenn die Anhänger der Auftragsmördergesellschaft sich überall in der Öffentlichkeit verstecken und eine harmlose Hotellobby durch Codewörter und Geheimmünzen zur Börse für Auftragsattentate wird. Nur zwischendurch, wenn gefühlt jeder Taxifahrer in Wirklichkeit für diese Assassinen-Gemeinde arbeitet, nimmt das Ganze ein bisschen Überhand.


Gesteigert wird die Faszination noch durch die bewusst hohe Menge an unerzählter Hintergrundgeschichte, die laut Regisseur Stahelski von Filmen wie „Zwei glorreiche Halunken“ (1966) inspiriert ist. Ständig werden Orte, Regeln, Ereignisse oder Ähnliches angedeutet, von denen man unbedingt mehr erzählt bekommen möchte. Ein fieses Stilmittel, aber in dieser Filmreihe grandios platziert.


Das Action Kino im Wandel


Mit dem Auftakt der Reihe und auch den beiden Fortsetzungen zeigten Reeves und Stahelski damals wie heute, dass das klassische Action Genre noch nicht verloren ist, wonach es allerdings seit geraumer Zeit aussah.


Seit die Bourne Trilogie Anfang der 2000er Jahre das Action Genre in Punkto Stil und Inszenierung so stark geprägt hat wie kein anderer Film, haben sich einige Plagen in so ziemlich jeden Action Film eingeschlichen. Dinge, mit denen John Wick bewusst bricht und so frischen Wind auf die Leinwand bringt.


John Wick vs. Jason Bourne


Der Film ist kein Schnittmassaker, in dem die Kampfszenen mit 12 Kameras gefilmt wurden und sich alle 1,5 Sekunden die Perspektive ändert, um dem Zuschauer endgültig jede Orientierung zu nehmen. Außerdem wird nicht mit der berühmten Wackelkamera gearbeitet, die dem Publikum eine rasante Choreographie nur vorgaukelt. Nein, hier findet sie tatschlich statt. Und zwar anders als in Liam Neeson Filmen sogar so, dass man ihr folgen kann, ohne dabei seekrank zu werden.


Als wäre das noch nicht genug frischer Wind, hat Stahelski scheinbar eine Seite wiedergefunden, die nach dem Release von „Die Bourne Identität“ aus jedem Regie-Lehrbuch gerissen wurde: Die „totale“, also die Kameraeinstellung, in der die kämpfenden Figuren beide vollständig zu sehen sind. Eine Seltenheit im modernen Action Kino. Man kann dem Kampf folgen und ihn genießen, in all seiner Klarheit und Brutalität, ohne durch zerstückelte Nahaufnahmen von Gesichtszügen und Schwitzkästen zum Epileptiker gemacht zu werden.


Dass andere Filme die oben genannten Dinge benötigen hat oft einen sehr simplen Grund. Man darf das Gesicht der Figuren während der Kampfszenen nicht erkennen, weil es sich um Stunt Doubles handelt. Das fällt dann im verwackelten Schnittsalat nicht auf. John Wick umgeht das Problem ganz einfach, in dem Keanu Reeves seine Kämpfe selber dreht. Er hat für diese Filme diverse Hardcore Militär-Trainings absolviert und das merkt man in jeder Sekunde.

Das Ballett des Tötens


Die wahren Helden dieses Films, das muss man also sagen, sind wahrscheinlich die Stunt Koordinatoren, die man schon fast als Künstler betiteln möchte. In einer Szene gipfelt diese Gewalt-Ästhetik schließlich in einer herrlichen Parallelmontage mit einem Ballettauftritt. Dem Film gelingt das, woran so viele andere scheitern, nämlich der Drahtseilakt zwischen Imposanz, Übersichtlichkeit und Glaubwürdigkeit.

Fazit:


Man liebt John Wick ein drittes Mal für das, was es ist. Ein ästhetisches Kunstwerk der Gewalt, mit einer faszinierenden Welt und ikonischen Figuren. Das man die Story mit Edding auf einen Bierdeckel schreiben könnte, stört hier kein Bisschen.



Titel:

John Wick: Kapitel 3 - Parabellum


Länge:

132 Minuten


Altersfreigabe:

FSK 18


Regie:

Chad Stahelski (John Wick 1 + 2)


Drehbuch:

Derek Kolstad (John Wick 1 +2)


Kamera:

Dan Laustsen (Shape of Water)


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